Die Charta der Heiligen Union für die Nation oder die wahrscheinliche Illusion der Machterhaltung
8 Monate vor den Wahlen bringt die Regierungsmehrheit sich in Stellung und inthronisiert ihre Wahlplattform, die Heiligen Union für die Nation (Union Sacrée pour la Nation, USN) hervor. Diese politische Plattform soll die Kandidatur des amtierenden Präsidenten, Félix-Antoine Tshisekedi, für eine zweite Amtszeit bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2023 unterstützen. Nichts Neues in den kongolesischen Tropen. Am Vorabend der letzten Wahlen im Jahr 2018 hatte auch die damalige Regierungskoalition ihre Plattform, namens Front Commun pour le Congo (Gemeinsame Front für den Kongo, FCC ), ins Leben gerufen.
Es sei gemerkt, dass eine beträchtliche Mitgliederzahl dieser, und nicht zuletzt im Hinblick auf die Rolle, die sie dort spielten, ohne „Wenn und Aber“ in die jetzige neue Plattform übergetreten ist. Unter anderen Himmeln würde man hier von politischer Transhumanz sprechen. In einem Land wie der Demokratischen Republik Kongo, wo die Abstimmung immer noch auf einer stark regionalen, ethnischen, stammesbezogenen Dimension basiert, im Gegensatz zu der klassischen ideologischen Spaltung – rechts, links, liberal, sozialdemokratisch, republikanisch – scheint es objektiv logisch für derjenigen, der die Wahl gewinnen will oder wer an der Macht bleiben will, dass er Politiker aus anderen Landesteilen oder anderer politischer Obedienz anzieht. Aber diese Sichtweise unterliegt die Wahrscheinlichkeitsrechnung, denn vor 4 Jahren hat der vermeintlich Favorit der Präsidentschaftswahl, der Kandidat der FFC, so verloren, dass ein „Nachhelfen“ nicht möglich war, und dieses Konglomerat von Opportunisten versenkte schließlich unter dem ersten Sturm, schweigend wie das Titanic-Schiff.
Heute muss sich der amtierende Präsident Rechenschaft für die Bilanz seiner Amtszeit ablegen, dazu in einem Land, das von einem Krieg überschattet wird. Leider scheint es, dass das, was die Bevölkerung erlebt und fühlt, von den Führern und ihren bedingungslosen Unterstützern nicht berücksichtigt wird. Kurzum: Félix Tshisekedi schleppt viel Altlasten mit sich herum: Der hohe Lebensstandard der Institutionen und insbesondere seiner eigenen Person (mehr als 240 Reisen in 4 Jahren, Erhöhung der Bezüge der Abgeordneten und Zulagen für Regierungsmitglieder sowie der Gehälter ihrer Mitarbeiter). Hinzu kommen die Verschleppung der Justiz-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Armeereformen, hier und da auf Klientelismus basierende Ernennungen – alles ungeachtet jeglicher Rücksicht auf die Geopolitik der Republik. Erwähnenswert ist auch die immer größer werdende Einflussnahme und die illegale Bereicherung seines nahen Umfelds. Die freihändige Vergabe von staatlicher Aufträge ist eher die Regel und nicht die Ausnahme. Ein Personenkult, bei dem jede Regierungsmaßnahme auf seine Person zurückgeführt wird. Kennzeichnend für seine Amtszeit sind die nicht bis zu Ende durchgeführte Projekten, verbunden mit Geldveruntreuung und Aktionsplan für die ersten 100 Tage, Tshilejelu (Strassensanierungs- und Modernisierungsprogramme für ausgewählten Städte in der DR Kongo), Covid-Fonds, Steuer für Registrierung der Mobilgeräte (RAM), etc…
Unterdessen verlaufen der Wahlprozess und seine Vorbereitung langsam, schleppend an. Die Maschinerie der unabhängigen Nationalwahlkommission (CENI) stottert. Morgens behauptet sie, in der Lage zu sein, die Wahlen Ende Dezember abzuhalten, und am Nachmittag sagt sie, dass sie seit drei Monaten kein Geld mehr vom Staat erhalten hat und somit ihre Arbeit nicht mehr ordnungsgemäß ausführen kann. Sicherheit strahlt man anders aus!
Das neue Narrative der Regierung über den Krieg in den drei Provinzen im Osten des Kongo – das „Abkommen von Luanda“ und den „Nairobi-Prozess“ sowie die darauf resultierenden militärischen und diplomatischen Entscheidungen -, erweist sich als verschlüsselt und mehrdeutig, mit letztendlich Ergebnisse, dass fünf ausländischen Armeen (Burundi, Kenia, Uganda, Südsudan (Pufferkräfte) und bald Angola (Beobachtungsstreitkräfte)), ein erzwungene Dialog mit einer Bewegung, die von der Regierung als Terroristen bezeichnet wird und als Söldnerarmee für die ruandische und ugandische Armee fungiert, erwartet wird.
Für den Durchschnittskongolesen, der stolz auf die 2.344.860 km² Ausdehnung seines Staatsgebiets ist, bedeutet, Teile seines Territoriums unter dem Protektorat der EAC-Brigade zu stellen, nicht mehr und weniger als eine Demütigung und Verrat der herrschenden Klasse, deren Namen in den Geschichtsbüchern mit dieser „Nakba“ verbunden sein werden. Und die politische Opposition, die „verdorbene“ zivile Gesellschaft und die Kirche? Welche von ihnen überhaupt? Bereiten sie eine Unterströmung vor, um die Planung der aktuellen Regierung zu durchkreuzen oder die Macht zu entreißen? Der angemessene Ausdruck wäre „Wait and see!“.
Im Kongo von Lumumba ist es immer noch wie bei der Reise von Kapitän Marlow ins „Herz der Finsternis“!
Guy K.