Klangvolle Moderne: Die kongolesische Musik im Aufbruch
In der Zwischenzeit trat der Rumba in Zentralafrika auf, dessen Verbreitung Wirklichkeit mithilfe des Kosmopolitismus wurde, der in den 40er-Jahren en vogue war. Der Rumba wurde sofort angenommen und trug in Form verschiedener Variationen – ausgehend von Rumba-Sukumu des Kriegsanfangs über Rumba-Kara, Rumba-Boucher, Rumba-Sukusi bis zum Rumba-Kiri-Kiri der 80er-Jahre -, zur Bereicherung der vorher bestehenden musikalischen Patrimoniums bei.
Diese Tanzvariationen des Kongo-Rumbas stellten schließlich den kongolesischen modernen Tanz dar, obwohl er zu 75 % aus vom kubanischen Rumba angenommenen Elementen besteht (M.B. Lonoh, 1990:5). Andere Tänze hatten auch großen Erfolg, namentlich Cha-Cha-Cha (à deux rhytmes), Merengue, Pachanga, Bolero, Mambo. Alle wurden durch lateinamerikanische Rhythmen inspiriert.
Gegen Ende der 40er-Jahre begannen die großen Musikgruppen, unter der Schirmherrschaft von Musikverlagen, sich zu formieren. Sie bestanden aus mehr als neun Instrumentalisten und zwei oder drei Sängern. Sie nannten sich Orchester und benutzten folgende Instrumente: Gitarren (auch Bassgitarre), Klarinette, Saxofon (vielleicht eine Trompete oder eine Flöte), Trommeln und Schlagzeug.
Die Gruppe Beguen Band trat regelmäßig ab 1949 unter der Schirmherrschaft des Musikverlags „Ngoma“ auf. Joseph Kabasele nahm 1950 seine ersten Chansons („Congo wa ngai“ und „Zonga noki“) bei „Okapi“ auf. Ein Jahr später gründete er das Orchester African Jazz, dessen Stil sich ab 1955 mit der Gründung des Musikverlags „Esengo“ stabilisierte, der „Okapi“ ersetzte, und durch politische Lieder der Umsturzperiode illustrierte, die 1956 begann und 1960 zur Unabhängigkeit führte. Einige Jahre später wurden mehrere andere Orchester mit gleichem Musikstil gegründet: African Fiesta International, das sich später in African Fiesta Sukisa und African Fiesta teilte, les As, le Super African Jazz, Vox Africa, les Grands Maquisards …
Im Jahr 1952 erschien „Marie-Louise“ von Wendo (Sänger) und Bowane (Gitarrenspieler) bei „Ngoma“. Es war der große Hit des Jahrzehnts. In der Tat konnten weder „Chérie Bondowe“ von Emmanuel Oliveira noch „Ata ndele“ von Adou Elenga soviel Begeisterung wie dieses Lied erzeugen, das einer fatalen Frau gewidmet war. „Marie-Louise“ stellte durch seine Thematik und seine musikalische Struktur den Ausgangspunkt der kongolesischen modernen Musik dar.
Zacharie Elenga, alias Jhimmy, Musiker aus der heutigen Zentralafrikanischen Republik, der in Léopoldville lebte, führte die „Hawaii-Gitarre“ ein. 1954 kam der belgische Gitarrenspieler Bill Alexander, der mit dem bekannten Jazzmusiker Django Reinhardt gespielt hatte, auf Einladung des Musikverlags CEFA nach Léopoldville. Er spielte den kongolesischen Musikern die elektrische Gitarre vor und brachte ihnen die Kunst des Jazz-Akkords bei. Sie wurden von deren Qualität und Vorteil überzeugt. So erhielt die elektrische Gitarre Zutritt in die kongolesische moderne Tanzmusik.
Die Gruppe Negro Jazz aus Brazzaville kam 1954 oft nach Léopoldville, wo sie in der Tanz-Bar „Air France“ auftrat. Zwei kongolesische Musiker, die in der Gruppe von Bowane (Watan) spielten, schlugen „Negro Jazz“ eine Fusion vor. Daraus entstand die Gruppe OK Jazz. Das Repertoire der neuen gegründeten Gruppe OK Jazz bestand aus an kongolesische Tanzschritte adaptierten Rumba, Bolero, Charanga, Merengue, Calypso, Cha-Cha-Cha …
Obwohl er nicht der Gründer des Orchesters war, ist der Name François Luambo (1939–1989), alias Franco, eng mit OK Jazz verbunden. OK Jazz: O steht für Oscar und K für Kashama. Es sind die Initialen desjenigen, auf dessen Initiative das Orchester von Henry Bowane – der auch mit Wendo gespielt hatte -, und Jean-Serge Essous ins Leben gerufen wurde. Franco wurde der Fahnenträger des Orchesters: Zuerst für die Adaptierung der traditionellen Musik – bevor er sich der Beschreibung der kongolesischen Gesellschaft widmete, in der die Frau omnipräsent blieb -, und später in der politischen Satire. Zahlreiche Orchester, die sich von seinen Werken inspirieren ließen, wurden gegründet: Negro Succès, Le Vévé, Le Trio Madjesi, le Tembo.
Obgleich African Jazz und OK Jazz keine Jazzmusik spielten, benutzten sie den Begriff Jazz, um zu zeigen, dass ihre Musik modern, kultiviert und gründlich unterhaltend war.
Daneben gab es auch andere Orchester hybrider Natur: Rock-a-Mambo, Kongo Succès, Cobantou (S. Bemba, 1984:102-108; M.B. Lonoh, 1990:39-40). Alle nahmen sich African Jazz und OK Jazz zum Vorbild.
Charakteristisch für diese Periode ist die Vollendung der kongolesischen Musik, die durch die Entstehung der Musikverlage ab 1947 hervorgerufen wurde, und vor allem die Bestätigung einer sehr homogenen musikalischen Identität, die ihre Inspirationsquellen konserviert und bereichert hatte.
Die Jahre 1950–1960 waren gekennzeichnet durch eine Art der Lust am Leben, die die Kongolesen eroberte – nicht nur in Léopoldville, sondern auch in den Hauptstädten der Provinzen. Die Moden entstanden und folgten aufeinander. In diesem Universum erschien ein neuer Mythos der kongolesischen Frau, die modern und frei war, sich frei bewegen konnte, tanzen ging, und sich von der traditionellen Moral und ihren Tabus befreite. Seit „Marie Louise“ von Wendo über „Chérie Bondowe“ von Oliveira bis zu „Parafifi“ von Kallé (Joseph Kabasele) polarisierte die „„Femme libre““(freie Frau), und nicht die Mutter, die musikalische Kreation. Aber die Frau sang auch, sie machte Musik, wie Lucie Eyenga, Pauline Lisanga, Marthe Badibala, Marie Kitoto und Anne Kibombo.
Die musikalische Produktion dieser Periode zeichnet sich durch zwei Richtungen aus. Die erste Richtung bemühte sich, die Hinterlassenschaft der populären Musik zur Geltung zu bringen, indem sie sie an neue Instrumente und Techniken adaptierte. Diese Tendenz ist bis zum heutigen Tag geblieben und wird von Wendo, dem Großvater der kongolesischen Rumba, und anderen Musikern fortgesetzt. Die zweite Richtung bezog sich auf die Fragen, die mit der Kolonisierung und dem urbanen Leben zu tun hatten. Aber die Musik diente besonders dazu, Themen aufzugreifen, in denen die Frau, das Liebespaar und die Liebe im Mittelpunkt standen.
1. Musikalische Einflüsse und Entwicklungen:
- Rumba erobert Zentralafrika: Verbreitung durch Kosmopolitismus, verschiedene Variationen (Rumba-Sukumu, Rumba-Kara etc.)
- Latino-Rhythmen prägen die Musikszene: Cha-Cha-Cha, Merengue, Pachanga, Bolero, Mambo
- Entstehung von Orchestern: Professionalisierung mit mehr als 9 Instrumentalisten und Sängern, Einsatz von Gitarren, Klarinetten, Saxofonen, Trommeln und Schlagzeug
- Wichtige Orchester und Musiker: Beguen Band, Joseph Kabasele (African Jazz), Wendo & Bowane („Marie-Louise“), Franco Luambo (OK Jazz)
- Einführung der elektrischen Gitarre: Bill Alexander bringt neue Impulse, Jazz-Akkorde werden übernommen
2. Musikstile und thematische Schwerpunkte:
- Adaption und Fusion: Kongolesische Tanzschritte mit Rumba, Bolero, Charanga, Merengue etc. kombiniert
- Moderne und urbane Themen: Beschreibung der kongolesischen Gesellschaft, Frau als omnipräsentes Thema
- Politische Satire: OK Jazz unter Franco Luambo als Vorreiter
- Inspiration für andere Orchester: Negro Succès, Le Vévé, Le Trio Madjesi, le Tembo
3. Blütezeit der kongolesischen Musik:
- Entwicklung einer homogenen musikalischen Identität: Inspiration aus verschiedenen Quellen, bewusste Bewahrung der Tradition
- Lebhafte Musikszene: Entstehung von Musikverlagen ab 1947, große Orchester prägen die Zeit
- Neues Lebensgefühl: Lust am Leben, moderne und freie Frau als Ideal in der Musik
4. Die „Femme libre“ in der Musik:
- Polarisierung durch neue Themen: Freie Frau statt Mutter im Fokus der Lieder
- Musikerinnen wie Lucie Eyenga, Pauline Lisanga, Marthe Badibala, Marie Kitoto und Anne Kibombo
5. Zwei Richtungen der Musikproduktion:
- Bewahrung der populären Musik: Anpassung an neue Instrumente und Techniken, Wendo als „Großvater der kongolesischen Rumba“
- Themen der Kolonialisierung und des urbanen Lebens: Musik als Spiegel der Gesellschaft
- Liebeslieder und Themen rund um das Paar dominieren