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Kategorie: TAZ-Artikel
10.01.2023
Europäische Söldner im Kongo: Kongos geheime weiße Armee
Erst suchte die Demokratische Republik Kongo Russlands Hilfe gegen die M23-Rebellen. Nun stehen in Goma Söldner aus Rumänien. Eine taz-Recherche.
KAMPALA taz | Die Leiche eines weißen Mannes in Flecktarnuniform liegt im Dreck am Straßenrand. „Das passiert den Russen von Wagner“, so der Kommentar unter dem Foto aus der Demokratischen Republik Kongo, das auf Twitter die Runde macht. Gemeint ist damit die private Söldnerfirma Wagner, die im Auftrag Russlands nicht nur in der Ukraine für grausame Menschenrechtsverbrechen an Zivilisten verantwortlich gemacht wird, sondern auch in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik.
Sind die Russen etwa auch im Kongo aktiv, um der maroden Armee gegen die Rebellengruppe M23 (Bewegung des 23. März) zu helfen? Westliche Diplomaten zeigen sich gegenüber der taz zutiefst besorgt. Dabei hatte noch im Oktober Kongos Präsident Félix Tshisekedi das im Interview mit der Financial Times ausgeschlossen. „Ich weiß, dass es jetzt in Mode ist“, hatte er gesagt.„Nein, wir müssen keine Söldner einsetzen.“
Auf Anfrage der taz bestätigt die M23-Führung, dass der getötete Weiße im Kampf gefallen sei, am 30. Dezember im Dorf Karenga – direkt an der Frontlinie nördlich der Millionenstadt Goma. Ein M23-Kämpfer habe das Foto gemacht. Er habe keinerlei Flagge oder gar ein Wagner-Abzeichen auf der Uniform getragen, seine Nationalität sei „schwer zu sagen“. Ein M23-Kommandeur behauptet, weitere vier weiße Söldner seien gefallen. Beweise liefert er nicht.
Recherchen der taz bestätigen: Das Hotel Mbiza im Stadtzentrum von Goma, unweit des Flughafens und nur wenige Straßenecken von der Grenze zu Ruanda entfernt, ist voll von Weißen mit Waffen. „Es sind Dutzende, vielleicht sogar hundert weiße Männer in Uniform“, berichtet ein lokaler Journalist, der im Auftrag der taz das Hotel aufgesucht hat und dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann. „Sie tragen verschiedene Uniformen ohne Landesflagge und Pistolen am Gürtel.“ Die meisten sprächen fließend Französisch.
Der Eingangsbereich wird streng bewacht von Soldaten der kongolesischen Präsidentengarde. Sie bestätigen: Das ganze Hotel sei für einen längeren Zeitraum von Ausländern angemietet worden. „Es ist jetzt das Hauptquartier der Weißen“, erklärt ein Soldat am Eingang, mehr Auskunft will er nicht geben.
Bei einem kurzen Blick in den Konferenzraum des Hotels sieht man dort Kongos Flagge aufgestellt, kongolesische Offiziere der Spezialeinheiten gehen ein und aus. Fotos, die die taz erhalten hat, zeigen muskelbepackte Schwergewichte mit kurz geschorenen Haaren und verspiegelter Sonnenbrille, die im verdunkelten Auto durch Goma fahren – mit bewaffneten kongolesischen Soldaten als Begleitschutz.
Aus der Fremdenlegion über Bangui nach Goma
Die Kongolesen in Goma bezeichnen die Söldner als „Russen“, mit der Anspielung auf die in Afrika berüchtigten Wagner-Truppen. Doch ob es sich nun um Russen oder andere Osteuropäer handele, „das können die meisten Kongolesen tatsächlich nicht auseinander halten“, so der lokale Journalist.
Ein Angestellter von Kongos Immigrationsbehörde am Flughafen in Goma versichert der taz: Er habe beim Eintreffen der weißen Militärs am 22. Dezember mit einer Boeing 737, die von derEuropäische Söldner im Kongo: Kongos geheime weiße Armee – taz.de rumänischen Fluggesellschaft Hello Jets gechartert worden war, Pässe aus Rumänien abgestempelt. Und ein weiteres Foto, das am 2. Januar online gestellt wurde, gibt konkretere Hinweise. Ein weißer, schon etwas älterer Mann mit kurz geschorenen Haaren, in ziviler Kleidung aber mit einem AK-47-Sturmgewehr in den Händen steht zwischen zwei kongolesischen Soldaten auf einer Straße nördlich von Goma. Bei diesem Mann handelt es sich um einen gestandenen Söldner aus Rumänien: Horatiu Potra.
Geboren 1970 in der rumänischen Stadt Medias in Transsilvanien, ging Potra in den 1990er Jahren zur französischen Fremdenlegion. Ende der 1990er wurde er der persönliche Chefleibwächter des Emirs von Katar. Seit der Jahrtausendwende trieb er sich meist in Afrika herum: Er trainierte in der Zentralafrikanischen Republik Leibwächter des damaligen Präsidenten Ange-Félix Patassé und brachte Aufständischen in Tschad das Kämpfen bei.
Unter seinem Kriegsnamen „Leutnant Henry“ hatte er es von 2002 an auch mit dem kongolesischen Rebellenführer Jean-Pierre Bemba zu tun, der damals mit seiner Rebellenorganisation MLC (Bewegung zur Befreiung des Kongo) Patassé in der Zentralafrikanischen Republik unter die Arme griff. 2016 soll Horatiu Potra im Auftrag Moskaus in der Zentralafrikanischen Republik die Leibwächter des aktuellen Präsidenten Faustin Touadéra ausgebildet haben.
Ob Potra einer der sogenannten Instrukteure auf der Gehaltsliste der russischen Söldnerfirma Wagner war, lässt sich bislang nicht bestätigen – die taz hat zahlreiche internationale Wagner-Experten sowie die UN-Expertengruppe zur Überwachung der Demokratischen Republik Kongo danach gefragt. Potra ist Geschäftsführer der rumänischen Söldnerfirma Associata RALF mit Sitz in Sibiu in Transsilvanien, die auf ihrer Internetseite angibt, sie trainiere Leibwächter für VIPs, beschütze „sensible Gebiete“ wie Minen in Afrika und bilde Spezialeinheiten aus. Sie verweist dabei ausdrücklich auf ihren Kodex, der der französischen Fremdenlegion entnommen ist. Auf taz-Anfragen antworten die Firma und Geschäftsführer Potra nicht.
Modernes Kriegsgerät aus Moskau
Kongos Regierung hat im vergangenen Jahr die Beziehungen zu Russland intensiviert. Im August war Kongos Verteidigungsminister Gilbert Kabanda in Moskau zu einer Sicherheitskonferenz eingeladen und lobte in seiner Rede die „Unterstützung“ Russlands im Kampf gegen die Rebellen im Ostkongo. Russland wiederum sagte Kongos maroder Armee modernes Kriegsgerät zu: Panzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge.
So etwas war bislang gar nicht so einfach. Das 2003 im Rahmen des Friedensvertrages für Kongo verhängte Waffenembargo gegen Kongo wurde zwar 2008 teilweise aufgehoben, doch weiterhin musste der UN-Sicherheitsrat informiert werden, wenn Kongos Armee oder Polizei von außerhalb des Landes Ausrüstung oder Ausbildung erhalten sollte.
Diese Auflagen wurden erst im Dezember 2022 abgeschafft, vor allem dank Russlands im UN-Sicherheitsrat. Die Resolution zur Beendigung der Pflicht zur „Notifizierung“ verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am 20. Dezember. Zwei Tage später trafen die weißen Söldner mit rumänischen Pässen in Goma ein.
Kongos Luftwaffe besteht hauptsächlich aus russischen Beständen, darunter vier russische Mi-8 Kampfhubschrauber und acht Mi-24 Kampfjets. Einer der beiden Transport-Hubschrauber Mi-26 ist letztes Jahr im Einsatz abgestürzt. Das übrige Gerät, das derzeit im Kampf gegen die M23 ständig gebraucht wird, muss dringend gewartet werden, um weitere Unfälle zu vermeiden. Doch Russland braucht derzeit im Krieg gegen die Ukraine sein Material selbst – das Angebot auf dem Weltmarkt ist dementsprechend gering und noch dazu sehr teuer.
In den vergangenen Monaten hat der russische Botschafter, Viktor Tokmakov, immer wieder Vertreter des kongolesischen Sicherheitsrates sowie Mitglieder des Senatsausschusses für Sicherheit in Kinshasa getroffen. Tokmakov war von 2015 bis 2021 Botschafter in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, wo Russen von Wagner und des Militärgeheimdienstes GRU die Armee ausbilden und ausrüsten und im Gegenzug Firmen im Wagner-Umfeld Bergbaurechte erhalten haben.
Hat Russland auf einen ähnlichen Deal im Kongo gehofft? Armee und Regierung äußern sich dazu nicht. Aus Kreisen von Kongos Spezialeinheiten in Goma heißt es gegenüber der taz: Die Russen hätten zu hohe Preise verlangt. Man wandte sich anderen Partnern aus Osteuropas zu.
Bulgarische Techniker für die Luftwaffe
Als Kongos Verteidigungsminister Gilbert Kabanda im Mai auf dem Flugfeld der Luftwaffe in der Hauptstadt Kinshasa eine Flugdemonstration abnahm, standen auf dem Rollfeld Osteuropäer in Uniformen mit dem Abzeichen der privaten Firma „Agemira“. Kabanda lobte: Die hätten in nur 57 Tagen die alten russischen Kampfhubschrauber wieder flott bekommen.
UN-Ermittler im Kongo bestätigen der taz: Die bulgarische Firma Agemira mit Hauptsitz in Sofia hat eine Tochterfirma in Kinshasa gegründet, die für Kongos Armee Hubschrauber und Kampfjets wartet. Am Flughafen von Goma habe Agemira rund 40 Ingenieure und Flugtechniker stationiert, um dort Reparaturen durchzuführen. Diese Techniker sind nicht nur Bulgaren, unter ihnen sind auch Georgier und Weißrussen, die sich mit russischen Maschinen auskennen. Kongos Luftwaffe beschäftigt georgische Piloten.
All diese Männer aus ehemaligen Sowjetländern sind nun offensichtlich mit den Rumänen im Hotel Mbiza einquartiert. Nach einem Bericht des französischen Fachbriefes Africa Intelligence ist Potras Auftraggeber offiziell nicht Kongos Verteidigungsministerium, sondern die Firma Congo Protection, die dem Geschäftsmann Bijou Eliya und dem Parlamentsabgeordneten Patrick Bologna gehört; Bologna ist Gründer und Präsident der Kleinpartei ACO (Avenir du Congo) des kongolesischen Premierministers Sama Lukonde.
Jetzt bewachen die rumänischen Söldner den Flughafen von Goma, auf dem die Techniker der bulgarischen Agemira die Fluggeräte fit machen. Kongos Armee will ausschließen, dass das strategisch wichtige Rollfeld, das erst vor wenigen Jahren mit Geld aus Deutschland instandgesetzt wurde, in die Hände der M23-Rebellen fällt – wie beim letzten Krieg 2012. Damals hatten die M23-Kämpfer die Armeedepots am Flughafen geplündert – darin lagerten auch Mittelstreckenraketen, die Kongos Armee frisch aus Russland eingekauft hatte.
Europäische Söldner im Kongo: Kongos geheime weiße Armee – taz.de
01.04.2022
https://taz.de/Neue-Kaempfe-im-Osten-Kongos/!5841834/
taz-Ausgabe vom 31.3.2022
Von Simone Schlindwein, Kampala
Den Kontakt zu ihrem Aufklärungshubschrauber verlor die UN-Mission im Kongo (Monusco) gegen Dienstagmittag. Er hatte gerade einen Erkundungsflug über dem umkämpften Waldgebiet im Dreiländereck zwischen der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Ruanda unternommen. Dort herrscht Chaos.
Über 13.000 Menschen in dem Gebiet rund hundert Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Goma rafften am Dienstagmorgen erneut ihre Habseligkeiten zusammen und rannten um ihr Leben. Die meisten Einwohner der kleinen Grenzstadt Bunagana flüchteten sich ins Nachbarland Uganda, darunter Grenzbeamte und Polizisten und verletzte Soldaten von Kongos Armee. Selbst in Uganda war das Wummern der schweren Waffen zu hören.
Letztlich kamen die Gefechte so nahe, dass Kugeln über die Grenze flogen und in ugandischen Vorgärten landeten. Die Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) liefern sich seit Montag erneut Gefechte mit Kongos Armee in den Bergen zwischen Bunagana und der 40 Kilometer im Landesinneren gelegenen Stadt Rutshuru. Die Tutsi-Kämpfer unter dem Kommando von General Sultani Makenga versuchten erneut, die Militärbasen in den Dörfern Chanzu und Jomba einzunehmen. Das hatten sie im Januar und Februar bereits versucht.
Wenig später meldete die Monusco: Ihr Hubschrauber sei abgestürzt. Acht UN-Blauhelme – sechs Pakistaner, der russische Pilot und der serbische Copilot – sind tot. Kongos Armeesprecher beschuldigte die M23, den Helikopter abgeschossen zu haben. M23-Sprecher Willy Ngoma streitet dies ab und fordert eine unabhängige Untersuchung. Ein Monusco-Sprecher sagte am Mittwoch, ersten Erkenntnissen zufolge habe ein „leuchtendes Objekt“ den Hubschrauber getroffen, wollte sich aber nicht auf einen Abschuss festlegen.
Es ist das dritte Mal in wenigen Monaten, dass die M23-Kämpfer im Ostkongo erneut für Unsicherheit sorgen. Dabei war es jahrelang ruhig um die einst stärkste Rebellengruppe im Ostkongo. Desertierte Tutsi-Soldaten aus Kongos Armee hatten 2012 die M23 gegründet, benannt nach dem Datum eines aus ihrer Sicht von Kongos Regierung gebrochenen Friedensabkommens, und sogar die Millionenstadt Goma eingenommen. Später zogen sie sich zurück und wurden 2013 von Kongos Armee und UN-Blauhelmen geschlagen. Seitdem saßen die Kämpfer in Uganda und Ruanda herum, bis M23-Anführer Makenga 2017 aus Uganda floh und sich mit rund hundert Kämpfern in die Berge im Dreiländereck zurückzog. Von dort aus startete er im November 2021 eine Offensive gegen Kongos Armee. Seitdem kam es mehrfach zu Gefechten.
Doch für die M23, deren Kämpfer sich jetzt „Kongolesische Revolutionäre Armee“ nennen, hat sich der Wind gedreht. Anders als vor zehn Jahren unterhält Kongos Regierung heute gute Beziehungen zu Uganda und Ruanda. Uganda hat jegliche Unterstützung für die M23 eingestellt. M23-Präsident Bertrand Bisimwa wurde nach eigenen Angaben im Februar aus Uganda vertrieben. Seit November führen Uganda und Kongo gemeinsame Militäroperationen etwas weiter nördlich im Ostkongo gegen die muslimische Rebellenbewegung ADF (Vereinigte Demokratische Kräfte).
Als die M23 am Dienstag die Grenzstadt Bunagana bedrohte, entschied sich Ugandas Armee prompt, den Kongolesen auch hier zur Hilfe zu kommen: Ugandas Kampfjets bombardierten M23-Stellungen in den Bergen, Bodentruppen marschierten ein. Stolz präsentierte Ugandas Armee am Dienstag gefangene M23-Kämpfer, die sich über die Grenze verirrt hatten. Am Mittwoch war die Lage vorerst wieder ruhig. Die Rebellen zogen sich in die Berge zurück.
Doch die neue Freundschaft zwischen den Nachbarn steht auf wackeligen Beinen. Kongos Armee wirft Ruanda vor, die M23 zu unterstützen, so wie bereits 2012–13. Angeblich, so Kongos Armeesprecher Silvain Ekenge, habe man zwei M23-Kämpfer gefangengenommen, die Mitglieder der ruandischen Armee seien. Ruanda streitet dies „kategorisch“ ab, so eine offizielle Erklärung. Die M23 versichert ebenso, keinerlei Hilfe aus anderen Ländern zu erhalten. Am Mittwoch gab es Gespräche zwischen Kongo und Ruanda, um die Lage zu klären.
Die Frage bleibt, welche Ziele die M23 mit ihren Angriffen verfolgt. Mit ihren politischen Forderungen sind sie in Kinshasa gescheitert. Militärisch können die nur knapp 100 Kämpfer nicht viel erreichen. Ein ehemaliger M23-Offizier erklärte der taz auf Anfrage: „Es scheint, als sei Makenga verrückt geworden. Oder er will in seiner letzten Schlacht zumindest in seiner Heimat sterben“.
23.11.2021
04.08.2021
BERLIN taz | Die nächsten Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo stehen erst Ende 2023 an, aber schon jetzt steht ihr Scheitern im Raum. Es herrscht heilloser Streit über die zukünftige Führung der Wahlkommission CENI, von deren Glaubwürdigkeit es abhängt, ob eine korrekte Wahl zustande kommt. Konsens ist nur: Der bisherige CENI-Präsident Corneille Nangaa, ein Freund des früheren Staatschefs Joseph Kabila, soll die nächste Wahl nicht organisieren, und auch die Wahlkommission insgesamt muss reformiert werden. Nangaa hatte die letzte Wahl, die Ende 2016 fällig war, um zwei Jahre verzögert und dann ein Ergebnis vorgelegt, das allen unabhängigen Beobachtungen widersprach. Er erklärte den Oppositionellen Félix Tshisekedi, der ein Bündnis mit Kabila geschlossen hatte, zum Sieger anstelle von Oppositionsführer Martin Fayulu. Alle waren sich einig: 2023 muss es besser laufen. Auch Tshisekedi will 2023 lieber richtig zum Präsidenten gewählt werden. CENI-Chef Nangaa weiß, dass seine Zeit abgelaufen ist, und hat Goldminen in seiner Heimatprovinz Ituri erworben. Doch Nangaas Nachfolge ist immer noch offen. Vom Gesetz her bestimmen die acht größten Religionsgemeinschaften des Landes den CENI-Präsidenten: die Katholiken, die Protestanten der ECC (Kirche Christi im Kongo), die Kimbanguisten (eine autochthone Kirche), die Orthodoxen, die Muslime, die Pfingstkirchen, die Heilsarmee und die Freikirchen. Aber Ende vergangener Woche gingen sie ohne Beschluss auseinander – wie schon einmal im Juli 2020. Beide Male stemmten sich Katholiken und Protestanten, die zwei großen Religionsgemeinschaften, gegen den Vorschlag der sechs kleinen Gruppen. Im Juli 2020 war es Ronsard Malonda, bisherige Nummer zwei der CENI unter Nangaa. Nach dem Nein der beiden großen Kirchen schlugen die anderen ihn trotzdem vor, erst ein Veto von Präsident Tshisekedi stoppte ihn. Das war der Beginn des Machtkampfes zwischen Tshisekedi und Kabila, mit dem der neue Präsident sich seitdem von seinem Vorgänger und Gönner emanzipiert hat. Dieses Jahr brachten die sechs kleinen Religionsgemeinschaften ein Schwergewicht ins Rennen: Denis Kadima, Direktor des in Südafrika basierten EISA (Electoral Institute for Sustainable Democracy in Africa), eine in ganz Afrika respektierte Organisation zur Vorbereitung freier Wahlen, und 2011 UN-Leiter des historischen Unabhängigkeitsreferendums für Südsudan. Eigentlich der ideale Wahlreformer für Kongo. Doch in seiner Heimat lehnen Katholiken und Protestanten ihn ab. Kadima sei 2020 in der Vorauswahl ausgeschieden und komme daher nicht in Betracht, heißt es offiziell. Aktivisten von Tshisekedis Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) behaupten, die Kirchen würden Kadima ablehnen, weil er derselben Ethnie angehört wie der Präsident und mit diesem befreundet sei. Am Wochenende griffen sie die Residenz des Erzbischofs von Kinshasa sowie Kirchen in Tshisekedis Heimatprovinz Kasai an. Die UDPS-Führung hat die Angriffe verurteilt, aber das Klima ist vergiftet. Früher stritten UDPS und katholische Kirche gemeinsam für Demokratie im Kongo – heute werfen sie sich gegenseitig das Gegenteil vor. Seit dem Tod von Kardinal Laurent Monsengwo im Juli fehlt eine allseits respektierte integrative Figur. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Vielmehr sind die Wahlen 2023 beschädigt, bevor ihre Vorbereitung überhaupt begonnen hat. Die Heftigkeit des Streits über die CENI-Führung macht klar, dass die Kontrolle der Wahlkommission nach wie vor über den Wahlsieger entscheidet.
07.06.2021
https://taz.de/Nach-dem-Vulkanausbruch-im-Kongo/!5773010/
12.02.2020
https://taz.de/ADF-Rebellen-im-Kongo/!5659603/
20.11.19
Kriegsverbrecherprozess im Kongo
Lebenslang für „Koko di Koko“
Ein Militärgericht im Kongo verurteilt einen Warlord. Unter seinem Kommando wurden hunderte Frauen gefoltert und vergewaltigt.
Vor Gericht: Warlord „Koko di Koko“, früher Armeehauptmann Frédéric Musada Alimasi Foto: Trial International
BERLIN taz | In der Demokratischen Republik Kongo ist einer der bisher größten im Land geführten Kriegsverbrecherprozesse gegen Verantwortliche für Massenvergewaltigungen am Dienstag mit harten Urteilen zu Ende gegangen. Lebenslang ins Gefängnis muss ein als „Koko di Koko“ bekannt gewordener Warlord, der Brigadekommandant in der Rebellenbewegung Raia Mutomboki in der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu war. Zwei Mitstreiter wurden vom Militärgericht der Provinzhauptstadt Bukavu zu 15 und 20 Jahren Haft verurteilt. „20.11.19“ weiterlesen
17.09.19
Kongos Präsident zu Besuch in Belgien
Neuer Enthusiasmus
Europa hofft auf eine Wiederannäherung an Kongo unter Präsident Tshisekedi. Aber in der Regierung zieht sein Vorgänger Kabila die Fäden.

Militärische Ehren: Felix Tshisekedi landet in Belgien, 16. September Foto: reuters
BRÜSSEL taz | Vor einem Jahr lebte Felix Tshisekedi noch als Exilpolitiker in Brüssel – jetzt wird für ihn als Präsident der Demokratischen Republik Kongo in Brüssel der rote Teppich ausgerollt. Die alte Kolonialmacht Belgien, europäische Führungsnation im Umgang mit Zentralafrika, empfängt den ersten kongolesischen Staatsbesuch seit zwölf Jahren. Auf dem Programm der Visite vom 17. bis 20. September stehen neben politischen Gesprächen ein Termin bei König Philippe, Treffen mit Diamantenhändlern und ein Besuch der wichtigsten Militärakademie.Belgien und in seinem Windschatten die EU wollen Tshisekedis Besuch nutzen, um die Beziehungen zum Kongo zu kitten, die in den letzten Amtsjahren seines Vorgängers Joseph Kabila immer angespannter geworden waren – bis hin zu Sanktionen. Anfang September besuchte Bundesaußenminister Heiko Maas Kinshasa und sagte, Tshisekedi könne „für seinen Reformkurs auf unsere Unterstützung zählen“.
Auch die USA, die bei den Sanktionen gegen Kabilas Entourage vorangegangen waren, richten sich auf eine neue Ära der Zusammenarbeit ein. Im August sagte der US-Botschafter in Kinshasa, Mike Hammer, die USA seien bereit, mit der neuen Regierung zu kooperieren, und lobte Tshisekedi für die Bildung eines Kabinetts, das den Erwartungen der Bevölkerung entspreche. Auch die EU hat dem neuen Premierminister Sylvestre Ilunga und seinen Ministern gratuliert.
Der neue Kongo-Enthusiasmus erklärt sich weitgehend aus der Hoffnung, dass Tshisekedi das 90-Millionen-Einwohner-Land mit einigen der wichtigsten Rohstoffvorkommen der Welt zurück zum Westen führt, nachdem unter Kabila China der wichtigste Handelspartner geworden war. Dafür ist man im Westen bereit, die eigene scharfe Kritik an den Wahlen vom Dezember 2018 zu vergessen.
Egal, dass die unabhängige Zählung der katholischen Bischofskonferenz den Oppositionskandidaten Martin Fayulu mit 62,1 Prozent der Stimmen als Wahlsieger sahen, gegen nur 16,9 Prozent für Tshisekedi, knapp vor Kabilas Wunschkandidat Ramazani Shadary. Schließlich akzeptieren inzwischen auch die Bischöfe die Realität, nämlich dass das Kabila-Lager Tshisekedi ins Amt hievte, um die Fayulu-Opposition von der Macht fernzuhalten.
Kabila-Lager dominiert das neue Kabinett
In Tshisekedis Kongo hat Kabila die Kontrolle über die Institutionen behalten. Seine Parteienallianz FCC (Gemeinsame Front für den Kongo) hält über 350 der 500 Sitze in der Nationalversammlung und 95 der 120 Sitze im Senat, sie dominiert das Verfassungsgericht und die Provinzregierungen. Der zweithöchste Mann im Staate, Senatspräsident Alexis Thambwe, gehört ebenso zum Kabila-Lager wie Parlamentspräsidentin Jeannine Mabunda.
Im Regierungskabinett hält die FCC 42 der 65 Posten, Tshisekedis Getreue sind in der Minderheit. Es scheint eine systematische Dopplung zu geben: Tshisekedis Mitstreiter Jean-Baudouin Mayo ist Haushaltsminister, aber Finanzminister ist der Kabilist José Sele Yalaghuli. Die Diplomatie ist geteilt zwischen Außenministerin Marie Ntumba Nzenza aus dem Tshisekedi-Lager und Kooperationsminister Valéry Mukasa aus dem Kabila-Lager.
Für innere Sicherheit ist einerseits Tshisekedist Gilbert Kankonde Malamba als Innenminister zuständig, andererseits Kabilist Aimé Ngoy Mulunda als Verteidigungsminister – ihm wirft die katholische Kirche Unterstützung von Milizen in seiner Heimat Katanga vor.
Die Kabilisten halten mit Célestin Tunda ya Kasende auch das Justizministerium, was ihnen ermöglicht, Verfahren wegen Korruption und Diebstahl zu blockieren. Der Kabila-treue ehemalige Bergbauminister von Katanga, Willy Kitobo Samsoni, ist nun Bergbauminister des ganzen Landes, und hinter dem vom Tshisekedi-Lager berufenen neuen Ölminister Rubens Mikodo steht als Stellvertreter ein Kabila-treuer Freund des Iran: Mousa Sadr Mondo, Leiter des Verbandes kabilischer Muslime (AMK).
Kabila agiert nicht nur hinter den Kulissen, sondern hat auch einen Teil der Kulisse behalten
Auch die Ernennung des Premierministers Ilunga – der langjährige Chef der zugrundegewirtschafteten kongolesischen Eisenbahn, deren Personal auf 200 Monate unbezahlte Gehälter wartet – geht auf Kabila zurück.
Und bevor die FCC-Minister vor Präsident Tshisekedi und dem Parlament auftraten und ihre Amtseide abgaben, mussten sie bei Expräsident Kabila antreten und ihm die Treue schwören – auf Kabilas Farm Kingakati 50 Kilometer außerhalb von Kinshasa.
Kabila, der den in der Verfassung nicht vorgesehenen Titel des „Ehrenpräsidenten“ hält, zieht nicht nur die Strippen der Macht hinter den Kulissen, sondern hat auch einen Teil der Kulisse behalten. Die Farm Kingakati mit ihrem eigenen Flughafen, Yachthafen, Kraftwerk sowie Ländereien und Minen bildet eine Art Staat außerhalb des Staates.
In Kinshasa ist Kabilas Residenz der Präsidentenpalast, der Palais de Marbre, mit der nie belegten Begründung, er habe ihn gekauft. Tshisekedi muss sich nun einen eigenen Palast bauen, für 180 Millionen Euro.
Immense Herausforderungen
Es ist eine unbeliebte Regierung, in der über ein Viertel der Minister noch nie ein solches Amt bekleidet haben und über vier Fünftel Männer sind. Sie muss sich nun immensen Herausforderungen stellen, angefangen mit einer vom Premierminister als „wenig erfreulich“ bezeichneten Wirtschaftskrise und mit Tshisekedis Versprechen einer kostenlosen Grundschulbildung. Bewaffnete Gruppen und Ebola haben im Osten des Landes in den vergangenen zwölf Monaten jeweils über 2.000 Tote gefordert.
Während Tshisekedi nun nach Brüssel aufbricht, wird Kinshasa von einer Korruptionsaffäre erschüttert, in deren Zentrum sein Kabinettschef Vital Kamerhe steht. 15 Millionen US-Dollar, die im Mai in den Staatshaushalt hätten fließen sollen, landeten stattdessen auf einem privaten Konto der Rawbank. Es handelte sich um den Steueranteil einer staatlichen Entschädigung an sieben Ölfirmen für das Einfrieren der Benzinpreise in Höhe von 100 Millionen, die Kabilas scheidender Wirtschaftsminister Henry Yav auf Kreditbasis aufgenommen und ausgezahlt hatte. Von den 15 Millionen wurden dann 14,775 Millionen von irgendwem wieder abgehoben und die sind jetzt weg.
Die Finanzinspekteure der Regierung machen Kamerhe dafür verantwortlich. Kamerhe deutet auf den Ex-Wirtschaftsminister. Ermittlungen laufen. Ihr Ausgang dürfte viel über die realen Machtverhältnisse im Kongo verraten.
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